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Eine Reise der Kontraste: von Clare nach Coober Pedy

Es waren meine Hosts in Warrnambool, die mich darauf hinwiesen: Es gibt diverse Routen von Adelaide nach Norden ins Outback, natürlich, aber sie variieren bezüglich touristischer Attraktivität frappant. Da ist Highway A1, direkt und schnell, dafür aber vielbefahren und hässlich und dann ist da die Alternative, die nur wenige Mehrkilometer mit sich bringt: Highway B82, er verläuft durch savannenartiges Weideland und findet seinen Höhepunkt in Clare, dem Hauptort des Clare Valley, das für Riesling ebenso berühmt ist wie für Shiraz und zu den Hotspots des australischen Weinbaus zählt. Die Wahl fällt leicht. Was ich nur ahne: Die Reise in den Norden wird zur Reise der Kontraste.

Man kann die Erfahrung im Clare Valley fast nur als lovely bezeichnen: Entlang meines Wegs nach Clare, bei Sonnenuntergang, grast eine Herde von 28 Emus. Kurz davor schrecke ich einen gigantischen Schwarm von Kakadus auf, der mit üblem Gekreische (man nehme eine Drucklufttröte, verzerre ihren Sound und blase ihn durch einen Verstärker) minutenlang über meinem Kopf kreist und schliesslich die Strasse runter einen neuen Rastplatz findet. Kurz vor Clare treffe ich in einem der zahllosen Weinverkostungslokale John, einen freundlichen Mitsiebziger. Er lädt mich zu sich nach Hause ein, stellt mich seiner Frau Mitch vor und verköstigt mich mit Suppe und Fleischeintopf. Dazu, natürlich, trinken wir Shiraz, aus einer Flasche ohne Etikett. John erzählt, dass er zwar Wein anbaut, selbst aber keinen herstellt. Er liefert seine Trauben an einen Winemaker, der ihm dafür ein paar Hundert Flaschen liefert. Der Wein ist herrlich komplex, die Nacht im weichen Gästebett himmlisch. Als Gegenleistung, die mehr Amüsement als Gegenleistung ist, unterstütze ich die beiden am nächsten Morgen bei der Traubenernte. Die Gegenleistung für die Gegenleistung ist ein Frühschoppen mit Wein, Käse, Salami und Oliven sowie eine weitere Flasche Wein und frisches Obst mit auf den Weg.

Der Kontrast folgt unmittelbar: Der Verkehrsknotenpunkt Port Augusta pumpt durch dicke Verkehrsadern stinkendes Blech in alle Himmelsrichtungen: nach Perth im Westen, Adelaide im Süden, Sydney im Osten und Darwin im Norden. Mehr gibt Port Augusta nicht her. Wer, wie ich, den Highway nach Norden wählt, findet sich schnell in der monotonen Halbwüste des südaustralischen Outbacks (in Schweizerdeutsch, so wird mir klar, würde das als Hinenusse übersetzt, was vollkommen passt) wieder. Hier kann man sich um 360 Grad drehen und immer ist da Buschland bis zum Horizont unter einem Himmel, der höher scheint als in Europa und vollkommen uferlos. Fauna sehe ich vor allem platt gefahren im Strassengraben. Einmal passiere ich ein angefahrenes Känguruh, dass röchelnd im Staub liegt. Die Landschaft wird rauh, die Sonne brennt, Schatten wird rar. Höhepunkt dieser Reise ins Outback ist Coober Pedy, wo grosse Teile der globalen Nachfrage nach Opal bedient werden und Glücksuchende aus über 40 Nationen bei knapp 50 Grad im Sommer Loch um Loch buddeln, angetrieben vom grossen, verführerischen If. Ich lese in der Lokalzeitung, dass der Präsident der Kommune, eigentlich interim eingesetzt, um die Nachfolge zu regeln, so gar keine Nachfolge regeln wollte, dafür aber Kommuneneigentum liquidierte und in die eigene Tasche fliessen liess. Coober Pedy ist der Wilde Westen der 2010er-Jahre. Ich übernachte im Underground-Hostel, dessen Räume, wie könnte es anders sein, ursprünglich Opal-Stollen waren. Seine Managerin, Französin, wohl um die sechzig Jahre alt, spindeldürr, rauhe Stimme, sitzt nachmittags um Vier, Kette rauchend, nach Schnaps stinkend und leicht überdreht am Eingang des Hostels und empfängt ihre Gäste wie die Madame eines heruntergekommenen Marseiller Etablissements.

Die Kontraste sind hart hier in Australien. Landschaft und Mindset verändern sich alle paar Hundert Kilometer. Für Reisende ist das ein grosses Vergnügen, für mich als Radreisender ein ganz besonderer Spass.

Published in Menschen Reiseroute Uncategorized

3 Comments

  1. Michael

    Michael

    Hallo André,

    schön Deine Geschichte zu lesen, insbesondere, da sir gerade selbst die Strecke MIT Zwischenstopp in Coober Pedz hinter uns gdbracht haben und die selbe Meinung von dort hatten. Zwar nicht mit dem Fahrrad sondern im klimatisierten Camper, dennoch war der Ort recht rau und unschön.

    Auf der weiteren Reise alles Gute,

    Rita, Amelie und Michael (vom Campingplatz in Batcherlor)

  2. Jrène

    Jrène

    Hey André

    Geschichten und Fotos 1 A
    Dankeschön!
    Liebe Grüsse
    Jrène

  3. Weber Edith

    Weber Edith

    lieber André

    wie faszinierend Deine Geschichten doch sind! Ich lese sie mit aller grösstem Vergnügen und leite sie weiter in den Auhof.
    Danke, dass Du uns teilhaben lässt an Deiner grandiosen Weltreise, einem mutigen Abenteuer und einem sprachlichen Erzähl-Leckerbissen auf allerhöchstem Niveau!
    Wir alle sind mit Dir in Gedanken und wünschen Dir weiterhin gute Fahrt!
    Bis zum nächsten Mal ganz liebe Grüsse!
    Edith und families

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