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Mit Alphonse und Todd auf dem Abel Tasman Track

Der Abel Tasman Track gehört zu den neun Great Walks Neuseelands. Er ist besonders scenic und besiedelt von zwei ganz besonderen Vögeln: Alphonse und Todd. Dass sie mir Schnürsenkel und Proviant nicht klauen, ist Glück, vielleicht auch nur Zufall.

Am 18. Dezember 1642 ankert Abel Janszoon Tasman mit zwei Schiffen in Mohua. Er ist der erste Europäer, der seinen Fuss auf neuseeländischen Boden setzt. Er bekommt zwar erst mal auf die Fresse von den Maoris, die hier leben, und verliert bei dem Gekabbel vier Crewmitglieder, macht sich aber doch unsterblich und gibt einem der neun neuseeländischen Great Walks seinen Namen: Abel Tasman Track. Er führt, über 60 Küstenkilometer, vorbei an herrlichen Granitformationen, durch Busch und Marschland. Hier hat Königin Tide die Oberhand. Hebt sie ihren Arm, steigt der Meeresspiegel locker sechs Meter an, so hoch wie nirgends sonst in Neuseeland. Senkt sie ihn, gibt sie damit Quadratkilometer Wanderland frei. Den Awaroa Inlet quere ich bei sinkender Tide, das Wasser reicht mir stellenweise immer noch bis zur Hüfte, die Dynamik der abfliessenden Wassermassen ist deutlich spürbar. Ich schaffe die 60 Kilometer des Tracks plus die 40 Kilometer des Inland Tracks, der mich zurück zum Ausgangspunkt bringt, in vier Tagen. So scenic der Tasman Track ist, so fordernd ist der Inland Track. Er führt von Meereshöhe hinauf auf 1000 Meter, meist durch dichten Busch. Ich schwitze Shirt um Shirt nass, leide und fluche und kriege dann doch das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, als ich die hundert Kilometer endlich geschafft habe.

Es ist Donnerstagmorgen, das Wetter ist ein Traum, das Frühstück war delikat, die Frisur sitzt mehr als gut. Während einer kurzen Pause in Coquille Bay, ich esse gerade einen besonders flauschigen Pfirsich, treffe ich Alphonse. Er hüpft aus dem Busch und trägt Tarnbraun, wie jeden Tag. Er plappert vor sich hin und tut so, als interessiere ich ihn nicht die Bohne. Er kreist um mich rum, stochert in Büschen, schnabelt um Stöcke und Steine. Seine Kreise werden enger, er blinzelt immer wieder auf meine orangen Schuhe. Hmh, Alphonse mag also Sneakers. Schliesslich kommt er ganz nahe zu mir hin. Wir kommen ins Gespräch. Er stamme aus Frankreich, der Grande Nation, erzählt er. Seine Vorfahren hätten am Sturm auf die Bastille teilgenommen. Sein Ururururonkel habe Camille Desmoulins, einem der Cheerleader der Revolution, die Schuhe gebunden, als der sich wegen Flatulenz nicht bücken konnte, ohne sich vor seiner Anhängerschaft zu blamieren. Schuhe binden – die Tätigkeit werde heute viel zu gering geschätzt. Ein gut gebundener Schuh bringe einen guten Mann meilenweit und Blasen oder brennende Füsse seien immer auf schlampig gebundene Schuhe zurückzuführen. Natürlich spiele die Qualität der Schnürsenkel dabei eine entscheidende Rolle. Griffig müssten sie sein, elegant über den Rist fallen, schliesslich laufe das Auge mit. Alphonse beginnt, an meinen Sneakern herumzuschnäbeln, konzentriert sich zunehmend auf meine Schuhbändel. Ich muss zugeben: Er macht das verdammt nochmal nicht schlecht. Da steckt Expertise hinter, das fühlt sich gut an. Es ehrt mich, dass sich ein solcher Grandseigneur der Schuhschnürkunst um meine abgetragenen Treter schert. Er könnte ganz andere Kaliber schnüren. Guter Alphonse! Ich bedanke mich, wünsche ihm weiter gutes Gelingen und stapfe weiter.

Wenig später treffe ich Todd. Er grüsst kurz und kommt schnell zur Sache: Ob ich beide Schnürsenkel noch habe? Da sei so ein seltsamer Vogel unterwegs, der den Tramperinnen und Trampern die Senkel klaue. Schwafle von französischen Vorfahren und der hohen Kunst des Schnürens, dabei gehe es ihm nur um den Profit: Die Bändel verscherble er in Nelson auf dem Schwarzmarkt und kaufe sich vom Erlös Haarwachs für seine Federn. Nur deshalb sehe der Kerl so verflixt elegant aus. Oh, und sein Name sei dann nicht Alphonse, wie er immer behaupte, sondern James. Vater und Mutter seien Jahr und Tag niedriges Dienstpersonal in Wellington gewesen, auch die ganze restliche Mischpoke habe es nie wirklich zu etwas gebracht. Todd spuckt auf den Boden. Während er mir meinen neuen Freund madig macht, hüpft er verdächtig auf meinen Sachen herum. Mein Rucksack scheint ihn sehr zu interessieren. Mir wird die Sache langsam unangenehm. Ich scheuche Todd von meinen Sachen und mache mich vom Acker. Später höre ich von einem Ranger, dass James, aka Alphonse, ebenso wie Todd, zu den diebischen Vertretenden der Fauna auf dem Track gehören. James ist ein Weka, die Elster Neuseelands. Unbekannte Gegenstände ziehen den Vogel unwiderstehlich an. Er klaut Uhren, Schnürsenkel (!) und Toilettenpapier. Todd ist ein South Island Robin. Dieser Vogel hat überraschend wenig Scheu vor Menschen und ist vor allem am Futter interessiert, das diese mit sich führen. So macht die Geschichte plötzlich Sinn. Ob schon Good Old Abel ohne Schnürsenkel und mit geplündertem Znünisack von der Insel wegsegeln musste? Man weiss es, wieder einmal, nicht ganz genau.

Published in Reiseroute Tiere

3 Comments

  1. thomas enz

    thomas enz

    André, what the hell with Abel, what happend in Dunedin and Christchurch, beer and birds and I don’t talk about albatros-watching!
    :-)

  2. Jrène

    Jrène

    Ach André, du also auch! Einen Vogel zu haben der mit einem schwätzt!

    Bei mir läuft dies so ab: wenn ich deinen neusten Blog Eintrag lese, dann spricht erst mal das Weibliche in mir und findet, dass ist ja wieder eine coole Geschichte. Der André hat es so was von drauf und lobe ihn für seine spannenden, informativen wie lustigen Erzählungen und natürlich auch für die sportliche Leistung die er auf seinen Touren erbringt.
    Dann aber schwätzt dieser Vogel in mir dazwischen und meint, dass er es bald nicht mehr ertrage, diese wunderschönen Fotos, die tolle Wärme, das stets ungetrübte, sonnige Wetter, diese flauschig – süssen Früchte, welche es überall zu pflücken und essen gibt und dann reist er auch noch von einem schöneren Fleck zum andern.

    Manchmal wünscht man sich, es gäbe ein kleines Nest in deinen Packtaschen mit mir als Vogel drin.

    Zwitschernde Grüsse
    Jrène

  3. Weber Edith

    Weber Edith

    lieber André
    was für eine unglaublich tolle Zeit Du verlebst…! Herrlich! Einfach grandios…!
    Bin sprachlos.

    Hoffe, unsere guten Wünsche zum Geburtstag haben Dich erreicht (per Sms). Ansonsten seien sie hier nochmals wiederholt :)!
    Alles Gute weiterhin und viel Freude wünschen Dir
    Edith und family

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